Die Reise eines jeden Paketes endet zwar mit der im besten Fall klimaneutralen Lieferung, aber sie fängt viel eher an. Jedes Kleidungsstück, jeder Elektronikartikel hat schon einen weiten Weg hinter sich, bevor er im Handel landet. Egal, was wir kaufen, jedes Produkt muss erst einmal produziert werden und verbraucht dabei Ressourcen und Emissionen, die man ihm nicht direkt ansieht. Das nennt man auch den „ökologischen Rucksack” – also die gesamte Menge an Ressourcen, die bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung eines Produktes anfallen.
Die Konsumfeiertage häufen sich zum Jahresende. Der chinesische Singles' Day, der amerikanische Black Friday und Cyber Monday, mit denen stationärer und Online-Handel das Weihnachtsgeschäft einläuten. Jedes Jahr locken günstige Angebote, die gepaart mit klassischen Marketingstrategien – wie beispielsweise der „Verknappung“ – zu Spontankäufen verleiten sollen. Persönlich vielleicht nur beim Blick aufs Konto und in überfüllte Schränke oder Abstellkammern ärgerlich, da eigentlich gar nicht benötigte Dinge gekauft werden. Für den Planeten sind die Folgen jedoch verheerend.
Ein Produkt ist erst mal nur Rohstoff
Um ein Kilogramm Baumwolle zu gewinnen, sind zum Beispiel durchschnittlich etwa 11.000 Liter Wasser nötig. Außerdem werden beim Anbau vielerorts Düngemittel und Pestizide eingesetzt, die die Umwelt belasten. Wenn im nächsten Schritt die Baumwolle gefärbt oder anderweitig weiterverarbeitet wird, geschieht dies heutzutage immer noch viel zu häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen und zu Minimalstlöhnen.
An der Universität Plymouth wurde 2019 nachgewiesen, dass in einem neuen Handy 36 Milligramm Gold stecken, bei dessen Abbau häufig hochgiftige Chemikalien wie Arsen, Quecksilber und Zyanid eingesetzt werden. Dazu sollte man wissen, dass 20 bis 25 Prozent des heute verfügbaren Golds aus Kleinbergbau (ASM) stammen, und auch hier sind in den meisten Fällen die Arbeitsbedingungen ausbeuterisch und gefährdend für Mensch und Natur.
Die hier beispielhaft gewählten Rohstoffe Baumwolle und Gold stehen aber erst am Anfang internationaler Lieferketten, die an unterschiedlichen Orten zusammenlaufen, sich kreuzen oder weiter verzweigen.
Produktkomponenten reisen um die Welt
Heutzutage überwiegt in den meisten Branchen die Just-in-time-Produktion, das heißt, die zur Verarbeitung benötigten Materialien werden via Frachtcontainer angeliefert, sobald sie gebraucht werden. Der Container wird somit zur Lagerhalle, die nie stillsteht.
Allein bis zur Fertigstellung kreuzen die einzelnen Komponenten eines Handys bereits mehrfach die Weltmeere. Zwischen 1992 und 2013 hat sich der weltweite Schiffsverkehr um 300 Prozent gesteigert, was nicht nur den CO2-Ausstoß erhöht, sondern auch zu einer immensen Mehrbelastung der Meeressäuger durch Unterwasserlärm und Unfälle geführt hat.
Der WWF setzt sich unter anderem für die Verlegung von Schiffsrouten und Geschwindigkeitsbeschränkungen ein. Außerdem sollte in geräuschmindernde Technologien investiert werden. Die Einführung einer CO2-Steuer für Reedereien ist im Gespräch, die zum Teil von der Branche selbst gewünscht ist, um einen besonderen Anreiz für einen nachhaltigeren Antrieb durch CO2-Einsparung zu schaffen.
Retouren sind extreme Belastung für Umwelt
Jede sechste Onlinebestellung endet als Retoure, das besagt eine Studie der Universität Bamberg aus dem Jahr 2019. Retournierte Produkte mit einem Wert unter 15 Euro landen direkt im Müll, weil sie in keinem Verhältnis zur Arbeitszeit stehen, die eine Sichtung und Neuverpackung erfordern würde. Das sind neue, ungenutzte Artikel.
Mehrere Enthüllungsstorys zeigen außerdem, dass ein großer Onlinehändler bis zu 30 Prozent der Retouren direkt vernichten lässt und regelmäßig einwandfreie Waren entsorgt, die sich als Ladenhüter erwiesen hatten. Eine maßlose Verschwendung von Ressourcen, Energie und Arbeitszeit.
Fazit ist und bleibt: Eine lange Nutzung durch Reparatur, Wieder- oder Weiterverwendung, Remanufacturing, etcetera bietet das größte Ressourcenschutzpotenzial, das nur durch Konsumverzicht noch übertrumpft werden kann. Das eigene Verhalten konsumkritisch zu hinterfragen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Je mehr Waren produziert und gekauft werden, desto mehr Müll fällt an, und jede neu produzierte Ware verbraucht Energie und Rohstoffe. Genau aus diesem Grund ist nachhaltiger und bewusster Konsum so wichtig, der vielleicht durch die Änderung des Blickwinkels gar nicht mehr so schwerfällt: Wer zufrieden ist, kauft weniger. Deshalb hilft vor jedem Kauf allein schon die Frage: Brauche ich das wirklich oder erfüllt der Kauf nur ein emotionales Bedürfnis?
Konsumkritik: Boom des Onlinehandels
Die Coronapandemie hatte einen Boom des Onlinehandels zur Folge, der 2020 allein in Deutschland um gut 20 Prozent gewachsen ist, in den USA sogar um 32,4 Prozent. Das Geld, das die Menschen gerade nicht für Restaurantbesuche, Urlaube, Kultur und andere Dienstleistungen ausgeben können, geht in die Unterhaltungselektronik, Küchengeräte, Möbel und Maschinen, die meist aus China geliefert werden.
Auch die jedes Jahr im November anstehenden Konsumtage tragen ihren Teil dazu bei, besonders, wenn Gegenstände, die ausgedient haben, nicht wieder in den Kreislauf zurückgegeben werden.
„Bewusster Konsum ist zentral, wenn wir unsere Ökosysteme schützen und die Erderhitzung stoppen wollen."
Daher sollte sich – gerade zum „Black Friday” – jede:r fragen: Brauche ich das Produkt (diesen Kauf) wirklich? Habe ich nichts Altes, was ich reparieren kann? Kenne ich jemanden, dessen Produkt ich weiterverwenden kann? Gibt es refurbishte Alternativen? Wenn man unbedingt etwas Neues kaufen muss, dann unbedingt etwas langlebiges, reparierbares und von Unternehmen mit nachhaltiger und transparenter Lieferkette.
Weg von der Linearwirtschaft, hin zur Kreislaufwirtschaft
Man kann einen Gegenstand auf vielen Wegen in den Kreislauf zurückgeben – oder ihn ihm vorenthalten.
Der WWF schlägt vor, nach folgender Reihenfolge „neue” Produkte zu erwerben: Gibt es das Produkt gebraucht, also Second Hand? Kann ich es „refurbished”, also aufgearbeitet kaufen? Brauche ich das Gerät nur für mich, oder kann ich es gemeinsam mit anderen nutzen? Wenn schon komplett neu gekauft wird, dann sollte auf die Langlebigkeit der Produkte geachtet werden. Denn: Wer billig kauft, kauft zweimal. Und belastet damit nicht nur seinen Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.
In deutschen Haushalten verstauben laut einer Studie des Branchenverbandes Bitkom Millionen ungenutzter Laptops, Handys oder Smartphones. Diese Geräte binden wertvolle Ressourcen – wie zum Beispiel Gold –, die durch Recycling aufbereitet und weiter genutzt werden könnten, sofern das Gerät selbst nicht weiterverwendet werden kann. Aber dazu ist es eben wichtig, dass Altgeräte richtig und nicht etwa über den Hausmüll entsorgt werden, wodurch kostbare Rohstoffe in Verbrennungsanlagen oder auf Müllkippen landen. Und dies gilt für Elektrogeräte aller Art, selbst für Wecker, Elektrozahnbürsten, blinkende Turnschuhe, Kabel und Steckdosen. Geregelt wird dies auch über das Elektrogesetz ElektroG, das ab dem 1. Juli 2022 gilt. Dann sind auch Supermärkte und generell alle Händler, die Elektro verkaufen (ab einer gewissen Ladengröße), verpflichtet, alte Elektrogeräte zurückzunehmen, was bislang nur große Händler mussten.
Das Umweltbundesamt (UBA) beklagt, dass Deutschland die europäische Sammelquote von 65 Prozent auch 2019 verfehlt hat, denn die angefallenen 947.067 Tonnen Elektroschrott entsprechen nur 44,3 Prozent der Gesamtmenge. Durch die Neuregelung soll die Entsorgung von Altgeräten erleichtert werden, da sie gleich mit dem Wocheneinkauf erledigt werden kann und keine gesonderte Fahrt zum Wertstoffhof erfordert.
Illegaler Export
Ein weiteres, großes Problem stellt der illegale Export des Elektroschrotts in Länder wie Nigeria, Ghana Indien oder Südafrika dar, die kein professionelles Recycling bieten können. Dazu reicht ein Blick nach „Agbogbloshie“, der größten Elektroschrottdeponie Afrikas, wo Menschen der angrenzenden Slums ihre Gesundheit und die Umwelt aufs Spiel setzen, um ihr Überleben zu sichern. Sie entmanteln Kupferkabel durch Hitze, was giftige Dämpfe freisetzt, oder gewinnen andere Wertstoffe, indem sie ohne jegliche Schutzkleidung Komponenten in Säurebädern auflösen.
Sämtliche Schadstoffe versickern im Boden, weshalb die Deponie zu den zehn verseuchtesten Umweltbrennpunkten der Erde zählt. Und während es wichtig ist, den illegalen Export zu unterbinden, zählt eben auch der Einsatz jedes einzelnen Konsumentens und jeder einzelnen Konsumentin, Elektrogeräte entweder selbst möglichst lange zu nutzen, über entsprechende Plattformen weiterzuverkaufen, zu spenden oder im Falle des Defekts bei kommunalen Sammelstellen oder im Handel abzugeben, auf keinen Fall jedoch an dubiose Schrottsammler.
Kaufentscheidungen haben Auswirkungen
Trotz allem sind natürlich weder das Kaufen noch das Sparen verboten, wichtig ist dabei nur, sich bewusst zu machen, ob man damit der Umwelt unnötig schadet. Verbraucher:innen können mit ihren Kaufentscheidungen Hersteller:innen unterstützen, die bei der Produktion ihrer Waren verantwortungsvoll und nachhaltig mit den Ressourcen unseres Planeten umgehen und eine lange Nutzung auf hohem Qualitätsniveau ermöglichen. Auch deshalb setzt sich der WWF für ein starkes Lieferkettengesetz ein, das die nötige Transparenz für Verbraucher:innen bietet. Übrigens gibt es am Samstag nach dem Black Friday den sogenannten Kauf-nix-Tag (Buy Nothing Day), der in über 60 Ländern stattfindet und auf Konsum- und Wachstumskritik hinweisen möchte. Während am Kauf-nix-Tag radikaler Verzicht geübt werden soll, gibt es auch Initiativen von nachhaltig arbeitenden Unternehmen, den sinnvollen Konsum an bestimmten Tagen anzukurbeln. Dafür gibt es beispielsweise den Green Friday als Gegenmodell zum Black Friday, aber auch den White Monday oder den Giving Tuesday.
Für eine nachhaltige Wirtschaft, die die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten respektiert, braucht es eine Transformation hin zu ressourcenschonenden, klimafreundlichen und sozialverträglichen Produkten und Geschäftsmodellen. Der WWF bewegt Branchen und fordert Firmen auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Um umweltfreundliche Ansätze zu fördern, den ökologischen Fußabdruck zu verringern und positive Umweltwirkung zu erzielen, arbeitet der WWF darüber hinaus mit ausgewählten Unternehmen zusammen.
- Es geht auch anders! Fünf Tipps für einen Green Friday